Roland Schimmelpfennig, geboren 1967 in Göttingen, studierte nach einem längeren Aufenthalt in Istanbul als Journalist Regie an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Er war danach zunächst an den Münchner Kammerspielen als Regieassistent engagiert. 1995 wurde er dort Mitarbeiter der künstlerischen Leitung. Seit 1996 arbeitet er als freier Autor. 1998 ging er ein Jahr in die USA und war dort hauptsächlich als Übersetzer tätig. Im gleichen Jahr erhielt er die Fördergabe des Schiller-Gedächtnispreises von Baden-Württemberg. Roland Schimmelpfennig war von 1999 bis 2001 an der Berliner Schaubühne als Dramaturg tätig. In der Spielzeit 2001/02 war er Hausautor am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Seit 2000 schreibt Roland Schimmelpfennig Auftragsarbeiten für die Staatstheater Stuttgart und Hannover, das Deutsche Schauspielhaus Hamburg, das Burgtheater Wien, das Schauspielhaus Zürich, das Deutsche Theater Berlin und andere. Er lebt in Berlin. Mit 35 Jahren ist er einer der meistgespielten deutschen Dramatiker der Gegenwart.
Von Roland Schimmelpfennig ist beim Deutschen Theaterverlag erhältlich :
Theaterstücke:
Ein Bauherr kommt nicht mit seinen Handwerkern zurecht, und die Handwerker nicht mit dem Bauherrn. Ein altes Stadthaus soll umgebaut werden – niemand weiß, wie was (und wer) zusammengehört, wer was trägt und wen was trägt, aber jeder weiß es besser.
Plötzlich ist alles ganz anders als letzten Winter; keiner steht mehr unvermittelt unterm Fenster und fängt mitteleuropäischer Zeit an zu pfeifen. Keiner kommt mehr rein, so wie immer, in großen Schuhen und mit heimlichen Küsse an frühen Abenden, wenn das Licht langsam blau wird.
In einer faszinierenden Mischung aus Bühnenspektakel und Kammerspiel offenbart Das Reich der Tiere die Mechanismen der Macht und die Doppelbödigkeit des Sieges. Denn auch der Erfolg hat immer eine Kehrseite.
Rebecca Gilmans knapp geschriebene Szenen spielen in Wohnwagen, Motels, in Gefängniszellen. Das könnte auch die Vorlage für ein Road-Movie sein, aber Gilmans bedrückendes Stück lässt keinen Raum für Kino-Träume oder falsche Hoffnungen. Die Autorin verweigert sich eilfertigen Antworten. Stattdessen beschreibt sie: Ihr nüchterner Blick auf den untersten Rand der amerikanischen Gesellschaft ist schockierend und verstörend.
Er trifft sie zufällig auf der Straße, abends nach der Arbeit, es ist schon dunkel und es regnet. Sie fängt plötzlich an zu weinen, und er fragt sie, ob er ihr helfen kann, immerhin kennen sie sich doch von früher – auch wenn sie schon lange nichts mehr miteinander zu tun haben.
Andrej: Keinen Gefangenen! Das würde den ganzen Krieg ändern.
Keine Gefangenen! Alle umbringen und selbst in den Tod gehen!
Bringen wir die Sache so schnell wie möglich hinter uns,
warum das Ganze unnötig in die Länge ziehen.
"Niemand hat recht, und niemand hat unrecht: das sind die allerschrecklichsten Theaterstücke - Ich habe versucht zu erzählen, warum das Leben für Maria, Karl, Franz und die anderen schwierig ist. Es ist schwierig."
(Roland Schimmelpfennig)
Die Nacht ist noch jung und die Türen zum Paradies weit geöffnet. Davor aber wartet der schwarze Hund. Und lässt nicht jeden rein. Doch wenn, dann gibt es kein Halten mehr. Boom Boom Boom.
"Die Bretter, die die Welt bedeuten, stehen im Zentrum von Roland Schimmelpfennigs Stück. Aber schon Pierre Boulez, der große Komponist und Dirigent, hatte vor Jahrzehnten Bretter vor dem Kopf, als er empfahl, alle Opernhäuser in die Luft zu sprengen. Freilich, Boulez wollte das eigentlich gar nicht - und Schimmelpfennig erst recht nicht, nicht einmal die Schauspielhäuser. Sonst hätte er nicht so ein Stück geschrieben. ..."
(Gerd Jäger)
Roland Schimmelpfennig schrieb ein phantasievolles und poetisches Libretto für das Musical Alice im Wunderland. Die Musik der Uraufführung in Hannover komponierte Mousse T.
Ein alter Mann und ein Frau Mitte Dreißig: Joseph und Ruby, ein ungleiches Paar, sie sind befreundet, aber vielleicht bilden sie auch nur so etwas wie eine Notgemeinschaft, denn beide sind ohne Arbeit, kommen auf dem Markt nicht mehr vor. Also beschäftigen sie sich so gut es eben geht; sie sind keine Jäger, aber dafür werden sie zu Sammlern, sie sammeln Bilder.
Eine Gruppe von Männern, Frauen, Kindern: Sie alle sitzen um acht Uhr vierundfünfzig in dem abfahrenden Zug. Ohne zu wissen, dass dies die letzte Zugfahrt ihres Lebens sein wird. Weil der Zug um acht Uhr fünfundfünfzig explodieren wird.
Weidendes Vieh, ein Bach, eine kleine Holzbrücke. Zu beiden Seiten liegt ein Dorf. Jedes Dorf hat eine Kirche – aber eine Glocke schlägt ein bisschen später als die andere. Deshalb kommt es eines Tages zum Streit zwischen den Dörfern.
Halb verbrannt sind sie. Verdreckt und erschöpft. Der einbeinige Soldat und die Tänzerin. Aber sie leben noch! Und das ist wirklich ein Wunder. Nach all den Gefahren. Dabei fing alles so schön an. Damals.
Tom, ein Mobilfunk-Unternehmer hat sein Haus hoch oben gebaut. Dem Himmel so nah, aber Gott so fern. Größter Luxus, kein Handynetz, nur er, seine Frau Sue und die Haushälterin Maria.
Homers ODYSSEE ist das früheste große europäische Epos über eine Kolonialisierung und ihre Folgen (…).
Das Phantastische, mit dem Schimmelpfennig schon häufiger kokettiert hat, geht eine perfekte Symbiose mit dem Gewöhnlichen ein. Dafür braucht es nur einen kleinen Kniff. Das Leben des Jungen wird zum Computerspiel, in dem er sich in eine Biene verwandeln kann. (...) So überhöht Schimmelpfennig die Erlebnisse des Jungen ins Märchenhafte und Poetische und kann doch ganz konkret von sehr realen Problemen erzählen." (Nachtkritik über die Uraufführung am Consol Theater Gelsenkirchen)
Schnitzlers Reigen bildet die verlogene Sexualmoral eines ausgehenden Jahrhunderts ab, zeigt, was nicht gezeigt werden sollte. Um dann für lange Zeit nicht auf den Bühnen gezeigt werden zu dürfen. Aber das ist längst Vergangenheit, wir leben in einer liberalen und toleranten Gesellschaft. “Anything goes” hat den Menschen des 21. Jahrhunderts aus allen Zwängen befreit.
42 Jahre haben sie auf das Paket aus dem Ausland gewartet und dann so eine Enttäuschung: ein billiger Kugelschreiber, ein zehn Jahre alter Taschenkalender, eine blonde Perücke, winzige Probepackungen mit Waschmittel, kein Brief, dafür ein leeres Senfglas eingewickelt in eine alte Zeitung in einer Sprache, die kein Mensch versteht. Und ein Löffel. Als ob sie keine Löffel hätten in Kuba.
Rechte momentan nur für Deutschland verfügbar!
Mit Antigone, dieser unbeugsamen Rebellin gegen männliche Ordnungswut, ist das Ende der Herrscherdynastie der Labdakiden erreicht. Hier schließt sich der Kreis, und nicht zufällig stammen die berühmtesten Zeilen über den Anthropos aus dieser Tragödie des Sophokles: „Gewaltig ist vieles, doch nichts ist gewaltiger als der Mensch.“
„Euripides schrieb eine Tragödie, deren Handlung von so jäher Grausamkeit ist, so eruptiv in ihrem Hass und so maßlos in ihrem Opferverlangen, dass diese ... allen … noch heute einen Schauer über den Rücken jagt.
Eine Frau fordert einen Mann auf sich zu erinnern, dass er ihr einst ewige Liebe geschworen hat. Sie besteht auf der Einhaltung des Schwurs. Ist es erlaubt, so zu denken?
Eine alte Frau steht im Badezimmer. Heute hat sie sich aus Versehen nackt im Spiegel gesehen, berichtet sie. Sonst achte sie immer darauf, sich im Dunkeln anzukleiden. Und dann, voller Gleichmut, ihr Kommentar: 'ekelhaft'. Um Momentaufnahmen der Illusion und Desillusion geht es in dem Theaterstück Vorher/Nachher, das der Autor und Dramaturg Roland Schimmelpfennig für die Frankfurter Positionen der BHF-Bank-Stiftung geschrieben hat und das jetzt im TAT zum ersten Mal szenisch gelesen wurde.
Die Szenen reihen sich zunächst scheinbar zusammenhanglos aneinander. Die Protagonisten wirken wie gefangen in ihrer Einsamkeit und Traurigkeit. Die Älteren lassen ihre Leben Revue passieren, die Jüngeren verstecken sich vor der Wirklichkeit oder verzweifeln an ihr. Paare scheinen im Innersten zu wissen, daß Männer und Frauen nicht zusammengehören, und schieben die Trennung von ihren Partnern trotzdem so lange wie möglich hinaus. Melancholie liegt über den Bildern...
Nach einer Weile beginnt der Zuhörer, Spuren aufzunehmen und zu verfolgen. Da ist die junge Frau, die ihren Freund nach elf Jahren zum ersten Mal betrügt. Durch ihr plötzlich gewecktes Interesse an einem Buch über Matthias Grünewald verrät sie sich..." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Sie sind auf dem Sprung in die Chefetagen, in die Vorstandssitzungen, in die Auslandsvertretungen, oder sie stehen kurz vor dem beruflichen Aus: Sie werden gefeuert, kaltgestellt oder in den Vorruhestand geschickt. Die Frauen und Männer in Push-Up 1-3 arbeiten in den Büroetagen eines großen Konzerns.
Push-Up 1-3 wurde im Jahr 2002 als bestes Stück mit dem Wiener Nestroypreis ausgezeichnet.
Sie begegnen sich zufällig, gehen aneinander vorbei oder berühren sich flüchtig, sind miteinander verwoben ohne es zu wissen: Menschen in einer Großstadt. Sie sind in ihrem eigenen Dasein eingekapselt, sprechen für und von sich und nur manchmal miteinander.
In dem ersten Theatertext von Roland Schimmelpfennig wird hart gekämpft um geheimnisvolle Objekte, um den Fisch, um die Existenz. Ohne Umwege beginnt die Handlung: "Gib mir die Schuhe" fordert der junge Mann vom alten und bricht ein in seine Hütte, unversehens. Fische will er fangen, mitten im Winter, die blauen Heringe unter dem Eis. Dazu braucht er Dinge, die das junge Mädchen auf seinen unsichtbaren Wegen findet. Sie sind greifbar, sichtbar, nützlich und festumrissen. Dennoch verwandeln sie sich unter dem Blick der Menschen wie im Märchen. Aus einem Löffel wird ein Ruder, ein Schlüssel aus Gold und Silber.
Roland Schimmelpfennig schrieb gemeinsam mit Justine del Corte im Auftrag des Nationaltheaters Santiago de Chile Canto minor, ein Stück über den chilenischen Literatur-Nobelpreisträger Pablo Neruda zu dessen 100. Geburtstag.
Sommer: Die Wasserversorgung einer ganzen Hochhaussiedlung ist zusammengebrochen. Nur in einer Wohnung im siebten Stock, in Apartment 7-32 duscht Franziska, eine junge Frau, die sich an nichts erinnern kann. Sie kann sich nicht daran erinnern, wie ihr Leben war, bevor sie in dem Mietshaus wohnte - zusammen mit ihrer Freundin Fatima. Sie kann sich nicht daran erinnern, daß sie einmal eine arabische Prinzessin war. Wie jeden Abend schläft sie nach dem Duschen bei Sonnenuntergang auf dem Sofa im Wohnzimmer ein.
Ein Nachbar aus dem gegenüberliegenden Wohnblock beobachtet die Duschende und fühlt sich wie unter einem Zauber, durch Wassergemurmel, zu ihr hingezogen - er muß zu ihr... er findet die Wohnungstür von 7-32 offen und drückt seine Lippen auf die der Schlafenden: Plötzlich findet er sich in der Flasche wieder, die vor dem Sofa auf dem Tisch stand ...
Junge Deutsche kommen in die Staaten und versuchen auf dem Weg nach Westen ihr Glück zu machen. Sie haben eine Geschäftsidee: Kulturimport aus dem Alten Europa.
Der Ausgangspunkt für die Geschehnisse in diesem Stück ist das asiatische Restaurant "Der goldene Drache." Der Autor betrachtet die Verhältnisse im und um den "Goldenen Drachen" aus den verschiedensten Perspektiven. Das Ergebnis ist poetisch, brutal, rätselhaft und berührend.
"Fünf arbeitslose Schauspieler stehen nach der Schließung ihres Theaters vor dem alten roten Hauptvorhang." "Das bedarf keiner weiteren Beschreibung. Wichtig ist es nicht, aber schmerzhaft." -
Szenen und Skizzen
Besuch bei dem Vater ist der erste Teil der Trilogie der Tiere, die um Peter, den jungen Mann und Verführer, kreist.
Das Stück grenzt scheinbar an ein Land zwischen gestern und morgen: unwirklich, entwirklicht, wie in einer "sternenfernen Welt" (Roland Barthes). Und doch erzählt es zwischen Schwimmbad und Supermarkt von dem verzweifelten Wunsch, einmal im Leben - und sei es nur für einen Abend - geliebt zu werden und etwas Besonderes zu sein.
"Was ist der Mensch,
wenn er aus seinem höchsten Gut, aus seiner Zeit
nicht mehr macht als zu schlafen und zu fressen?
Ein Tier - nicht mehr."
Richtig dunkel muss es sein, wenn die Kinder und die Eltern mit den Laternen durch die Nacht. Und wie jedes Jahr laufen viele doppelte Kinder und viele halbe Elternpaare. Schleppen die Kleinen, schieben die Großen, folgen dem Licht. Und wie jedes Jahr verplaudern sich die Halben mit den Halben. Da fällt es leider gar nicht auf, wenn der Kleine noch mal schnell zurück, weil er sein Auto irgendwo verloren.
Idomeneus kehrt mit seiner Flotte erfolgreich aus dem trojanischen Krieg zurück. Doch kurz vor Kreta versinken neunundsiebzig seiner achtzig Schiffe. Verzweifelt beschwört Idomeneus das Meer. Für sein Überleben verspricht er, das erste Lebewesen zu opfern, welches in Kreta seinen Weg kreuzt.