„Lebenssehnsucht und die ‚Sehnsucht nach dem Tode‘ entspringen aus dem gleichen Zustand des Erschöpftseins von den plötzlich als leer erfahrenen Routinen des Alltags; sie treten in Momenten auf, wo die Identität oder die Wahrhaftigkeit des eigenen Lebens infragegestellt wird und äußern sich als gegensätzliche Bewegungen ins Extreme: Sich-Fallen-Lassen oder der Aufbruch ins Ungewisse.
Der Held in Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig scheint zunächst alles andere als ein Mann dieser Extreme zu sein. Gustav von Aschenbach, der fünfzigjährige Schriftsteller, hat sich durch lebenslange Selbstdisziplin und Arbeitsleistung beträchtlichen literarischen Ruhm erworben. Sein lebensethisches Credo ist das ,Durchhalten’ und die Überwindung seiner leidensanfälligen Natur.
... Die sinnliche Seite des Lebens, vor allem seine erotischen Bedürfnisse hat der verwitwet und einsam lebende Aschenbach stark oder gar völlig vernachlässigt. Der tragische Verlauf seines Venedig-Aufenthaltes, während dem er sich in einen polnischen Jungen verliebt und ohne Möglichkeit innerer Umkehr den völligen Zusammenbruch seiner auf Selbstkontrolle, Maß und Erkenntnis gegründeten ‘Welt erfährt, deutet eher auf letzteres hin.“ (Ankündigung des Staatsthheaters Stuttgart)
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