Harold Pinter (* 1930 in London) war nach seiner Ausbildung an der Royal Academy of Dramatic Art bis 1957 Schauspieler an diversen Provinzbühnen. Die Uraufführung seines ersten abendfüllenden Stücks DIE GEBURTSTAGSFEIER stieß 1958 bei der englischen Kritik auf Unverständnis; 1960 etablierte ihn schließlich DER HAUSMEISTER als einen der meistgespielten und einflussreichsten britischen Dramatiker. Neben Stücken hat er Drehbücher (u.a. für Regisseure wie Joseph Losey, Elia Kazan, Robert Altman, Volker Schlöndorff und Paul Schrader) geschrieben, Hör- und Fernsehspiele sowie den Roman DIE ZWERGE, Regie geführt und als Schauspieler in Film und Theater gearbeitet. In den 80er Jahren begann außerdem sein anhaltendes politisches Engagement gegen Menschenrechtsverletzungen. Pinter,der mit seiner Frau in London lebt, wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur (1973), dem Laurence Olivier Award (1996), dem David-Cohen-Preis (1995), dem wichtigsten Literaturpreis Englands und dem Franz-Kafka-Preis (2005). 2005 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen.
Von Harold Pinter ist beim Deutschen Theaterverlag erhältlich :
Theaterstücke:
"Anna besucht ihre Jugendfreundin Kate und lernt dabei deren Mann Deeley kennen. Man plaudert, frischt Anekdoten auf, kramt in Erinnerungen. Aber immer mehr spielen die drei Personen ihre Vergangenheit gegeneinander aus, machen daraus Waffen, um sich zu bestätigen und vor dem anderen zu behaupten. Beziehungen zerbrechen, neue Partnerschaften entstehen für den Augenblick, aus denen stets einer ausgeschlossen bleibt." (Siegfried Kienzle)
Ein junges Mädchen fällt im Alter von 16 Jahren in einen mysteriösen Schlaf. Fast dreißig Jahre später erwacht die nunmehr 45-Jährige, sieht und empfindet die Welt ringsum als Teenager und ist mit der Problematik ihrer Identität konfrontiert. Eine Studie der sexuellen Enthemmung und Angst, untermischt mit vernünftigen und subversiven Passagen der Weltentdeckung.
Ein Mann schläft seit Jahren mit der Frau seines besten Freundes. Zweifach betrogen müsste sich der Ehemann fühlen. Doch betrogen fühlt sich vielmehr Emma, die Frau, und zwar durch ihren Mann Robert: Als er ihr erzählt, auch er habe gelegentlich ein Verhältnis, meint sie, es sei aus mit ihrer Ehe. Betrogen fühlt sich genauso Jerry, von Robert, weil Robert die Affäre durchschaut und ihm dies nicht gesagt hat. "Die Handlung läuft im umgekehrten Uhrzeigersinn ab, so dass das Stück dort endet, wo der Ehebruch beginnt. Das erlaubt Pinter, die verkreuzten erotischen Beziehungen seiner Charaktere von der Abgestandenheit einer siebenjährigen Liaison zur Leidenschaftlichkeit des ersten Kusses zurückzuführen." (Die Bühne, Wien)
In Megs und Petes Strandpension lebt als einziger Gast Stanley, der ängstlich jeden Kontakt zur Außenwelt meidet. Unvermutet mieten sich zwei Fremde ein, Goldberg und McCann, die sich nachhaltig für Stanley interessieren und Meg sogar bei den Vorbereitungen seiner Geburtstagsfeier helfen. Noch vor der Party jedoch nehmen sie ihn in ein absurdes Kreuzverhör, das eher einer Gehirnwäsche gleicht, und die Party selbst wird zu einem Ritual der Vernichtung. Auf ihrem Höhepunkt zerbricht Stanleys Brille beim Blindekuh-Spiel, und mit verbundenen Augen beginnt er zu würgen und hysterisch zu kichern. Am nächsten Morgen wollen ihn Goldberg und McCann durch gutes Zureden wieder aufbauen, aber Stanley starrt nur dumpf und stammelnd vor sich hin. In einer großen schwarzen Limousine transportieren ihn die beiden ab.
Aston, ein sanfter, etwas schwerfälliger junger Mann, nimmt den alten Landstreicher Davies bei sich auf. Er quartiert ihn im eigenen Zimmer des ramponierten Hauses ein, das ihm sein Bruder Mick zur Renovierung überlassen hat. Davies, ein verbitterter, verlogener Querulant, nutzt Astons Fürsorge nörgelnd aus. Dennoch bietet ihm Aston einen Hausmeisterposten an. Mick, wenig begeistert von dem neuen Mitbewohner, zeigt deutlich seine Abneigung. Davies aber umschmeichelt ihn und beginnt über Aston herzuziehen. Als auch Mick ihm die Hausmeisterstelle anbietet, fühlt Davies sich nicht mehr von Aston abhängig und will ihn sogar aus dem Haus drängen. Doch dann wird deutlich, dass Micks Angebot nur eine Provokation war, um dem Bruder das wahre Gesicht des Alten zu zeigen. Davies versucht verzweifelt, Astons Freundschaft zurückzugewinnen.
Teddy, mittlerweile Philosophieprofessor in Amerika, kehrt mit seiner jungen Frau Ruth für einen Kurzbesuch nach England zurück. Seine Familie hat sich im früheren Elternhaus auf eine ziemlich heruntergekommene Männergemeinschaft reduziert. Vater Max versorgt den Haushalt, Sohn Lenny ist Zuhälter, sein Bruder Joey erfolgloser Boxer, Onkel Sam verdient für alle den Lebensunterhalt. Ruth wird in dieser patriarchalen Welt zum Zentrum des Begehrens und scheint die sich zunehmend in aggressive Sexualität ausweitende Aufmerksamkeit in rätselhafter Passivität zu genießen - der Beginn eines langsam eskalierenden Machtkampfes ...
Hirst, ein alter Mann, Schriftsteller, nimmt von einem Spaziergang einen anderen Alten, den Obdachlosen Spooner, mit nach Hause. Eigentlich war es nur die Einladung auf einen Drink, doch Spooner versucht nun mit allen psychologischen Finessen, sich bei Hirst einzunisten. Er gibt sich als Lyriker, als versoffener Philosoph, horcht Hirst aus, immer auf der Suche nach einer möglichen gemeinsamen Basis. "Eine ungemein intelligente Komödie der Wörter, in die Pinter all seine linguistische Erfindungskraft eingebracht hat und auch seine gnadenlose Ironie gegenüber einem Literatentyp, dem hier sein geistiger Bankrott vorgerechnet wird ..." (FAZ)
Das Ehepaar Richard und Sarah spielt immer neue Situationen der Verführung und Abwehr, Begierde und jäher Ernüchterung durch. Täglich schleicht sich Richard zu diesen Spielen als Liebhaber in sein eigenes Haus, wo Sarah ihn bereits als Freundin Dolores oder Hure Mary erwartet.
Pinters erstes konkret-politisches Drama, in dem er Folter und Verhöre verhandelt, wie sie heute weltweit und tagtäglich geschehen. "Eine Sadismusstudie, bei der man erfriert, die Jovialität der Gemeinheit ist satanisch genau dargestellt - als eine gewissermaßen von der Gunst der Umstände gewährte." (Basler Zeitung)
Alternde Menschen erinnern sich an ihr Leben: In Schweigen Ellen zwischen zwei Männern, der eine Farmer, der andere, jüngere, ein Arbeiter. In Landschaft ein Hausdienerehepaar, eingeschlossen in die Küche, ihren Lebensraum. "Es gibt zweierlei Schweigen. Eins, wenn kein Wort geredet wird. Das andere, wenn vielleicht ein Redeschwall nötig wird. Ich rede hier von einer Sprache, die unter der Sprache verschlossen ist." (Pinter)
Zwei Männer, Ben und Gus, dösen in einem kalten Zimmer. Seit Jahren werden sie als Handlanger einer anonymen Organisation in irgendeine Stadt abkommandiert, wo sie in einem leeren Raum ein namenloses Opfer erwarten und erschießen müssen. "Gus, jünger und sensibler, rätselt über den Sinn ihrer Tätigkeit; Ben ist längst im sturen Weitermachen erstarrt. Ein Speisenaufzug, ein 'stummer Diener', fährt in der Wand auf und ab. Durch Zettel werden ausgesuchte Speisen gefordert, die von den beiden Eingeschlossenen unmöglich beschafft werden können. Sie flüchten sich in das mechanische Einpauken der Vorschriften. Da empfängt Ben den erwarteten Befehl, der jeweils die Ankunft des Opfers meldet, er zielt auf den Eintretenden - es ist Gus." (Siegfried Kienzle)
Pinter konfrontiert drei verschiedene Traumwelten miteinander. Die beiden Hauptfiguren, Mutter und Sohn, sitzen vor beleuchteten Fenstern und sprechen als Silhouetten ihren Briefwechsel. Hinter der pedantischen Geschwätzigkeit des Sohnes verbirgt sich die gleiche Verlogenheit wie hinter den Klagen der Mutter - eine neurotische Liebes- und Hasskonstellation, in der zum Schluss der tote Vater das Wort ergreift.
Ein Dialog, den der Leiter eines Taxiunternehmens mit einem seiner Fahrer führt. Dieser namenlose Mann, die Nummer Zwei-Sieben-Vier, gibt mit sanfter Stimme völlig sinnlose Antworten und führt so ein einfaches Kommunikationssystem ad absurdum.
Der Dialog zweier soignierter Herren, die alle Fakten einfach in der bedeutungsvollen Pause verschwinden lassen: Nuklearbürokraten ... Kopfarbeiter, die offen lassen, ob vom Atomkrieg die Rede ist oder 'nur' vom GAU." (Theater heute)