Oktober 2022 - Neuerscheinungen, Herbstempfehlungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
diesen Monat schlagen wir einen großen Bogen – vom Krimi zum Schulstück, von der uns alle berührenden Migrationsthematik zurück zum Schulstück bis hin zum Volksstück. Dabei stellen wir Ihnen eine neue Autorin, drei neue Autoren und zwei Neuerscheinungen unseres Hausautors Andreas Kroll vor.
Andreas Kroll gelingt es, szenische Fantasie mit skurrrilem Humor und Pointen mit Zeitdiagnosen zu verbinden. Das Dutzend seiner Stücke ist schon seit einer Weile voll – mit den beiden jetzt herausgekommenen Neuerscheinungen sind es 15 kürzere oder länger Stücke und szenische Bühnenprogramme, die auch kombiniert werden können. Mit dem 2-Personenstück „Die Entführung der Lydia L.“ beweist der Autor einmal mehr kriminalistische Fantasie. Das Stück ist ein „Dinnerkrimi“ insofern, als es auf der Bühne, aber auch in einem Lokal aufgeführt werden kann, selbst wenn das Publikum nicht beteiligt wird. Die reine Spielzeit liegt bei 60 Minuten. In den Pausen wird jeweils der nächste Gang serviert. Eine wichtige Voraussetzung, damit alles gelingt: Die Schauspielerin und der Schauspieler sollten Bühnenerfahrung mitbringen. (Das Alter spielt eine nachgeordnete Rolle.)
Unter dem zurückhaltenden Titel „Die Theater AG“ hat Andreas Kroll ein Schulstück für Jugendliche geschrieben. Besetzt werden kann es mit 7 Mädchen. Rivalitäten zwischen konkurrierenden Gruppen spielen zunächst ein große Rolle, aber dann geschieht etwas Überraschendes, Unheimliches, womit nicht zu rechnen war. Ein spannendes Stück mit Hintergrund, das unaufwändig zu inszenieren ist und Raum für Improvisation lässt.
Mit dem Kinder/Jugendstück „Moses die Sonne“ von Laurent Contamin führen wir die Reihe unserer Übersetzungen aus dem Französischen fort.
Unter https://vieuxloup.de/blog/2022/02/18/laurent-contamin/ finden Sie eine Selbstbeschreibung dieses interessanten zeitgenössischen Autors, der in Frankreich bereits viele Stücke veröffentlicht hat und dessen Kinderstück Wolfgang Barth kongenial ins Deutsche übertragen hat.
„Moses die Sonne“ handelt von einer Gruppe Kinder, die in einem Gartenhäuschen ein Baby finden. Sie sind sich schnell einig, dass sie den Erwachsenen nichts erzählen, sondern sich alle gemeinsam um das Kind kümmern wollen. Doch zunächst müssen sie herausfinden, woher es kommt und wer es im Gartenhäuschen versteckt hat. Ein Brief, auf arabisch geschrieben, hilft ihnen weiter. Sie erfahren, dass die Mutter aus dem Sudan geflohen ist und mit dem Baby zu Verwandten nach England weiterreisen wollte. Daran ist sie gehindert worden und so fassen die Kinder den abenteuerlichen Plan, das Baby auf einer Klassenfahrt selbst nach England zu schmuggeln.
Laurent Contamin hat mit „Moses die Sonne“ nicht nur ein humorvolles Stück geschrieben, er hält damit auch ein Plädoyer für die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen zu Solidarität und freundschaftlichem, phantasievollem Handeln.
Eine ganz andere Fluchtgeschichte schrieb der iranische Autor Mohsen Taromi. Das ca. 30minütige Theaterstück „300 Sekunden“ ist ein atemloser Dialog, der die Reise auf einem überfüllten, vom Kentern bedrohten Flüchtlingsboot beschreibt. Hier lernen sich Raha und Ebrahim kennen. Sie werden es nicht bis ans rettende Ufer schaffen. Doch in den letzten 300 Sekunden verdichtet sich ihr Leben zu einem unerwartet intensiven Glücksgefühl.
Mohsen Taromi lebt seit vielen Jahren in Hamburg. „300 Sekunden“ ist zuerst in der Anthologie „Heimat suchen. Geschichten und Szenen von Flucht und Heimweh“ erschienen.
Und noch einmal Jugendtheater: Geister und Dschinns sind seit den Märchen aus 1001 Nacht fester Bestandteil der Erzähltradition. Auch in Dagmar Reichles „Der Dschinni und die Suche nach Glück“ gibt es einen Flaschengeist, der Wünsche erfüllt. Aus Erfahrung klug geworden, weiß er, dass selbst drei Wünsche die Menschen nicht davor bewahren, sich immer wieder falsch zu entscheiden. So gewährt er nur noch einen Wunsch. Damit läuft erst recht alles aus dem Ruder. Missverständnisse und Verwechslungen reichen sich die Hände zu einem turbulenten Reigen, aber zu guter Letzt wird wahr, woran der Dschinni nie geglaubt hätte. Er erhält seine Freiheit zurück.
Abschließend noch ein Tipp für alle Liebhaber/innen des Volkstheaters: „Das Milannest“ von Ignaz Stösser. Vogelschutz kontra Windkraft, ein immer noch ungelöstes Problem, das der Autor in diesem Stück mit den Stilmitteln des Schwanks behandelt und von allen politischen Auseinandersetzungen humoristisch befreit.
Wir freuen uns über Post von Ihnen unter theater@dtver.de.
Frühere Newsletter mit interessanten Themen und Stückvorschlägen finden Sie unter www.dtver.de unter dem Stichwort „Newsletter“.
Und im November/Dezember: Neue Stücke von Balthasar Alletsee, Volker Doberstein, Christoph Eckert, Benedict Friederich, Bernd Gombold, Thomas Rau und Christina Rothammer.
Mit herzlichen Grüßen aus Weinheim
Ihr
Deutscher Theaterverlag
Gabriele Barth