Václav Havel (* 1936 in Prag) konnte wegen seiner großbürgerlichen Herkunft nur spät Ober- und Hochschulbildung erlangen, machte von 1951 bis 1955 eine Lehre als Chemielaborant und studierte von 1955 bis 1957 Verkehrswirtschaft an der Prager TH. Nach 2-jährigem Militärdienst wurde er 1960 Bühnentechniker, später Dramaturg und Hausautor am Prager "Theater am Geländer". Nach dem Ende des Prager Frühlings 1968 bekam er Publikations- und Aufführungsverbot, ab 1977 wurde er als Leitfigur der nichtkommunistischen Intellektuellen und Sprecher der Charta 77 zu insgesamt sechs Jahren Haft verurteilt. Maßgeblich an der "sanften Revolution" beteiligt, die zum Sturz des kommunistischen Regimes beitrug, wurde er 1989 zum tschechischen Staatspräsidenten gewählt, 1993 zum Präsidenten der Tschechischen Republik. Für sein literarisches Werk erhielt Havel u.a. zwei Obie Awards (1968/1970),den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur (1969) und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1989). 1990 erhielt er außerdem den Simon-Bolivar-Preis, Venezuela, den Rotary-Preis, USA und den Olof-Palme-Preis für öffentliche Verdienste, Schweden. 1991 wurde ihm der Internationale Karlspreis der Stadt Aachen verliehen.
Von Vaclav Havel ist beim Deutschen Theaterverlag erhältlich :
Theaterstücke:
"Nach wie vor ist der Philosoph Leopold Kopriva - der Zählebigkeit von Legenden entsprechend - eine Symbolfigur des Widerstands ... Freilich, dieser Mann, von Angst gepeinigt, von ständigem Druck zermürbt, genügt der ihm zugedachten Rolle längst nicht mehr, es ist ihm nicht möglich, sich selbst zu bestimmen, seine menschliche Einheit ist zerstört ... Fast hat es den Anschein, als wäre es der allgegenwärtigen Macht gelungen, die Identität des missliebigen Philosophen aufzuheben. Doch im Verlauf der Handlung erleben wir, dass es keineswegs nur um das Drama einer tragischen Enttarnung oder Bloßstellung geht." (Siegfried Lenz)
Vanek, früher ein bekannter Schriftsteller, jetzt Hilfsarbeiter in einer Brauerei, wird zur "Audienz" beim Braumeister gerufen. Für eine bessere Stelle als Lagerverwalter soll der Schreibprofi Spitzelberichte an die Sicherheitspolizei formulieren. Als Vanek aus Prinzip ablehnt, trifft ihn der unverstellte Hass des Mitläufers: "Ihr Intelligenzler verkauft eure Prinzipien ausgezeichnet! ... Ich kann für sie nur Prügel beziehen!"
Spielball im undurchschaubaren Machtkampf zweier verfeindeter Funktionärs-Gruppierungen ist ein junger Mann namens Hugo Pludek. Er wird eines Tages mit einer "außergewöhnlichen Aufgabe" betraut, nämlich "auf den Trümmern des ehemaligen Amtes für Auflösung und des ehemaligen Eröffnungsdienstes ein neues, großes Amt aufzubauen: Die Zentralkommission für Eröffnung und Auflösung" ...
Direktor Gross findet eines Morgens auf seinem Schreibtisch eine "Benachrichtigung" in einer ihm fremden Sprache. Seine Sekretärin erklärt ihm, es handele sich um das ohne sein Wissen eingeführte "Ptydepe". Der ahnungslose Gross wird daraufhin von seinem ehrgeizigen Stellvertreter gestürzt, doch mit Hilfe einer Sekretärin aus dem Übersetzungsbüro erfährt Gross schließlich, dass die "Benachrichtigung" ein ausdrückliches Lob für seine Ablehnung der neuen Amtssprache enthielt. Gross wird rehabilitiert, aber die nächste Amtssprache wartet schon.
Diese Menschen im Hotel sind Menschen ohne Identität, aus allen Ordnungen und Zusammenhängen gerissen, verwirrte Kreaturen. Ihr Persönlichkeitszerfall zeigt sich auch als Sprachzerfall: banale Konversation, sinnentleerte Gesprächspartikel, automatenhaftes Geplapper, dann spricht plötzlich jede Figur den Text der anderen. Und die Direktion erlässt Ordnungsrufe. Das Stück behandelt "das Thema des Zerfallens menschlicher Identität bzw. das Thema der existentiellen Schizophrenie." (Havel)
Huml, Doktor der Philosophie, hat eine Ehefrau und eine Geliebte, außerdem eine Sekretärin, deren schöne Beine ihn beim Diktat sehr ablenken ... Dieser klassische Boulevardstoff, von Havel in dreißig "Sequenzen" zerlegt und dadurch ohne Chronologie in der Handlung, macht die "Erschwerte Möglichkeit der Konzentration" auf den Mitmenschen zur unmittelbaren Erfahrung.
Xiboj, der Neue in der Gefängniszelle, hat nach dem Wecken eine Zigarette geraucht. Das Rauchen vor dem Frühstück sei verboten, wird er angeherrscht. King, der Boss, fordert Ordnung, Sauberkeit und Gehorsam, doch Xiboj zuckt nur verlegen mit den Schultern. "Der ist doch Ungar oder was -", meint plötzlich einer. "Sein Fehler -", sagt King und geht unheilverkündend auf Xiboj zu ...
Dr. Faustka arbeitet in einem geheimnisvollen Regierungsamt, das sich der Ausrottung von Magie und Aberglauben in der modernen Gesellschaft gewidmet hat. Faustka, ein mit Ironie geschildertes Kunstprodukt aller bekannten Faustversionen, ist ein lebensüberdrüssiger Genussmensch, den sein Intellekt dazu verführt, das Übernatürliche zu beschwören. Er lässt sich mit dem Teufel ein und zahlt dabei drauf. Eine satirische Abrechnung mit der hemmungslosen Verherrlichung von Wissenschaft und Technik.
Macheath und Peachum sind hier Chefs konkurrierender Gangster-Organisationen, die ihrerseits von einem allmächtigen Polizeiapparat beherrscht und dirigiert werden. Jeder, der sich gegen diesen Filz zu wehren versucht, hat sich die Folgen selbst zuzuschreiben.
Spielort ist die Halle eines ehemals attraktiven Burgenkomplexes oberhalb einer heruntergekommenen kleinen Stadt. Hier lebt und arbeitet ein Architektenteam, um die Totalsanierung des Städtchens zu planen. Doch die Bevölkerung wehrt sich gegen die absehbare Reißbrettscheußlichkeit. Man scheint sich zu besinnen, aber dann kommt der Katzenjammer. Havel zeigt, ohne sie zu denunzieren, wie sich Menschen unter verordneten Anmaßungen zentralistischer Instanzen verhalten - anpasserisch, empört, gehorsam und unterwürfig.
Vanek wird von einem befreundeten Ehepaar zur "Vernissage" der neu eingerichteten Wohnung eingeladen. Eheglück, häusliche Zufriedenheit und Elternstolz werden ebenso vorgeführt wie ein barocker Beichtstuhl im Wohnzimmer. Mit ungewöhnlichen Mitteln versucht das Paar, Vanek, den kinderlosen Ehemann und Hilfsarbeiter, zu überreden, sich von seinen kommunistischen Schriftsteller- und Schauspielerfreunden zu trennen, um selbst in den Genuss dieser "Lebensfreuden" zu kommen.